Sonntag, 21. Juni 2009

Statistik

Reisedauer inkl. An- und Abreise:
81 Tage

Gesamt zurückgelegte Fahrradkilometer:
6907 km

Gesamt erklommene Höhenmeter:
71872 m

Zeit auf dem Fahrrad:
341:08 h

Maximalanzahl von Tassen Tee pro Tag:
ca. 20

Maximale gefahrene Steigung:
33%

Schönste Etappe der Reise:
Die Etappe durch die Northwest Highlands am Tag 52

Pannen:
keine, allerdings 3 schleichende Platten, die ich jedoch in der jeweiligen Unterkunft reparieren konnte, und ein defektes Pedal, das aber bis zum nächsten Fahrradhändler noch fahrbar war.

Tag 81 London - Dover - Rückfahrt nach Deutschland

Samstag 20.06.2009

Tageskilometer: ein paar wenige...


Nachdem ich dem Hotelpersonal insgesamt nicht mehr viel zugetraut habe, hatte ich mich gestern nochmal versichert, dass ich auch heute morgen früh Zugriff auf mein Fahrrad habe, denn der Zug geht um 7:33.

Gestern abend habe ich mich noch kurz darüber geärgert, dass ich mich ausgerechnet hier so geärgert habe, hätten die gar kein Internet gehabt, hätte ich mir das ganze Gewusel gespart, und es wäre auch gut gewesen. Das ging gestern abend noch weiter bis nach Mitternacht, aber das hier ist ein Blog über eine Fahrradreise und soll kein Hotelbashing werden. An einem gewissen Punkt einer langen Reise wird man auch leicht intolerant gegenüber den Fehlern anderer, so dass ich erst etwas Distanz gewinnen muss um das zu beurteilen.

In London reicht es das Fenster einen Spalt zu öffnen, und du kannst die ganze intensive Atmosphäre der Stadt spüren. Ich werde kurz unsicher, ob ich nicht doch noch ein paar Tage hier bleiben soll. Aber ich wollte mir ja gerade den „Rest“ von GB anschauen und eben nicht London, wo ich schon so oft war.

Der Abschluss ist aber trotz der jetzigen Hotelbesatzung perfekt. In „meinem“ Hotel, mit Blick auf die Victoriastation, dem Ziel einer 6900 Kilometer langen Reise, schlafe ich ein. Und ich schlafe gut wie lange nicht.

Am morgen entscheide ich, vorsichtshalber den 7:03 Zug zu nehmen, und das erweist sich als kluge Entscheidung. Denn, wer hätte es gedacht, keiner hat einen Schlüssel um den Raum zu öffnen wo mein Fahrrad drin steht. Die Minuten verrinnen und nachdem ich der Consierge zugeschaut habe, wie sie 50 Schlüssel durchprobiert hat, bringe ich um 7:08 (also fünf Minuten, nachdem mein Zug abgefahren ist) nochmal mein Misfallen zum Ausdruck und setze eine Frist bis 7:20 um mein Fahrrad zu befreien. Um 7:20 stelle ich die Consierge vor die Wahl, die Tür aufzubrechen oder ich mache es selbst.
Wir machen es letztlich gemeinsam. Dann schnell das Fahrrad hochgeschleppt, 7:28. Und nicht nur weil ich es so eilig habe, gebe ich der sehr hübschen Spanierin an der Rezeption die höchste aller Strafen. Ohne einen einzigen Blick auf sie zu werfen, bepacke ich mein Fahrrad direkt vor der Rezeption, schnappe meinen Rucksack, und gehe ohne ein Wort, also ob überhaupt niemand im Raum wäre.
Bis gestern konnte ich mir nicht mal vorstellen, dass ich sowas machen würde. Aber diese alberne Haufen hier holt alles aus einem Gast heraus...

Um 7:32 erreiche ich den Zug, ich steige zufällig auch in den richtigen Waggon, denn der Zug wird geteilt, und nun ist auch das aller, allerletzte Ziel dieser Reise erreicht. Nach zwei Stunden Zugfahrt, und den allerletzten Fahrradkilometern auf britischem Boden, vom Bahnhof bis zum Fähranleger, besteige ich die Fähre nach Calais.


Dover Castle


An Bord gönne ich mir in der Brasserie nochmal ein englisches Frühstück auf allerhöchstem Niveau. Dann noch ein letzter Blick auf die Kreidefelsen von Dover, der Rest ist Schlafen.


In Calais werde ich abgeholt, und so findet diese fantastische Reise ein erfolgreiches Ende!

Samstag, 20. Juni 2009

Tag 80 Colchester - London

Freitag 19.06.2009

Wetter: meist sonnig, 19 bis 23°
Tageskilometer: 121
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 6907
Tages-Fahrzeit :5:44 h
Gesamte Fahrzeit: 341:08 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 21,1 km/h
Tageshöhenmeter: 767
Gesamt Höhenmeter: 71872
Maximale Steigung 8%
Maximalpuls: 146
Durschnittliche Pulsfrequenz: 119


Nachdem die Nacht endlich mal wieder normal war, passt es auch mit dem Essen wieder. Also insgesamt fit gehe ich auf die letzte Etappe: Ziel London.

Die einzige sinnvolle Route von Colchester aus ist allerdings die A12, eine gut ausgebaute A Road. Da ich mit heftigem Verkehr rechne, lasse ich mir morgens bei der Spurensuche in Colchester Zeit, um so dem Berufsverkehr zu entgehen.

Nachdem ich gefunden habe was ich suchte und mein Vergleichsfoto gemacht habe (1981 / 2009), geht es Richtung London.


Die A12 ist heftig. Am Anfang ist das praktisch eine dreispurige Autobahn mit Bordstein statt Seitenstreifen. Ich bin wirklich mittlerweile einiges gewohnt. Aber jetzt bin ich wieder im Londoner Einzugsgebiet, und LKWs, die schön mit 90 an mir vorbeirasieren, Autos mit 120, 140. und dazu hohe Verkehrsdichte.


Auch wenn man es mir nach manchen Schilderungen nicht zutrauen mag, so achte ich schon darauf, das Risiko und Gewinn beim Fahren in einem vernünftigen Verhältnis stehen. d.h. auch ab einer gewissen Risikostufe gibt es keinen Gewinn mehr, und das hier ist da ziemlich nah an der Grenze.

So verlasse ich die Strecke nach ca. 25 Kilometern und suche mir den Weg über Tiptree, Maldon, Wickford usw. So gibt es nochmal ein paar ganz schöne Kilometer mit ein bisschen Landschaft, so dass ich sogar den Fotoapparat nochmal zücke. Nebenbei gibt es in Wickford ein zweites Frühstück, inkl. Tee und O-Saft für 3,60 Pfund!



Über die 127 geht es dann ins Gebiet von London rein. Auch hier heftiger Verkehr, so dass ich ab einem gewissen Punkt schon tippe ob mich ein LKW, ein PKW oder doch ein Kleintransporter abschießt, ich tippe auf letzteres.

Als ich wieder auf die A12 treffe gibt es sogar einen Fahrradweg, aber irgendwie auch nicht. Ich probiere es zeitweilig, aber erstens ist der Weg meist sehr schlecht (wenn er gut ist), oft jedoch schlicht für mich nicht fahrbar, abgesehen davon, dass man die Abfahrten so schneidet, dass man verdeckt ist für die Autos, die runterfahren. So bleibe ich meist auf der Straße, trage meinen Teil zur Unfallvermeidung bei, indem ich wie an der Schnur gezogen soweit links fahre wie es geht, kein Ausweichen vor den Kanaldeckeln, kein Schluck Wasser während dem Fahren, einfach nur volle Konzentration. Der Rest ist Glückssache.

Als ich weit genug im Stadtgebiet bin geht es dann irgendwann, und es gibt sogar Busspuren oder Fahrradwege die man auch benutzen kann.Es sind noch so zwanzig, dreißig Kilometer bis in die richtige City von London, als die ersten anderen Fahrradfahrer auftauchen. Davor war ich zwischen Colchester und London der einzige, es war kein anderer zu sehen.

Hier im Stadtbereich muss man als Fahrradfahrer ordentlich fighten, aber auf jeden Fall passiv, denn es gibt eine Gruppe von Fahrern, die Aufgrund ihrer Kleidung und des Aussehens eindeutig einer ethnischen Gruppe zuzuordnen ist, für die Fahrradfahrer schlicht Luft sind. Und das ist nicht sprichwörtlich gemeint. Die Fahren einfach so, also ob du nicht da wärst. Dummerweise dürfen die auch Taxis und Transporter fahren. Und da ich ja nicht sehen kann wer hinter mir im Auto sitzt muss ich jederzeit damit rechnen, dass einer links abbiegt obwohl ich direkt neben ihm fahre. Krass. Zum Glück gibt’s aber insgesamt nicht so viele von denen...


Es gibt auch Zonen wo eigentlich sehr wenig Verkehr ist. In der City ist aber wieder ordentlich was los. Ich versuche mein Ziel zunächst aus dem Kopf zu finden, muss dann aber doch nochmal auf der Karte spicken, wie das denn nun eigentlich alles hier war. Und irgendwann stehe ich dann tatsächlich vor dem proklamierten Ziel der Tour: Der Victoria Station in London. Nach über 6900 Kilometern.

Es ist kein so emotionaler Moment wie das erreichen des Nordkaps. Dafür habe ich zuviele Teilziele erreicht, und die symbolische Kraft der Victoria Station ist einfach nicht so groß wie das schöne Nordkap. Aber ich bin doch sehr froh die ganze Tour erfolgreich zum Abschluss gebracht zu haben.

Es ist gar nicht so einfach in dem geschäftigen Treiben jemanden zu finden der fotografiert. Aber es findet sich doch noch jemand, und so gibt es heute auch ein „Finisher Foto“.


Eigentlich wollte ich den morgigen Tag noch in London verbringen, als Cooldown sozusagen. So buche ich auch zunächst zwei Nächte. Der Preis ist horrend, aber genau dieses Hotel ist nun mal Teil des Ziels, da ich hier mal gearbeitet habe.

Der Empfang ist allerdings wenig herzlich. Die Dame an der Rezeption meint tatsächlich, ich solle mein 3000 Euro Fahrrad doch irgendwo draußen am Bahnhof abstellen. Als ich das nicht akzeptiere, bietet sie mir schließlich an es wenigstens nachts einzuschließen. Ich gehe erst mal duschen.

Es stellt sich heraus, dass in diesem 4 Sterne Businesshotel, das Wlan nicht ausreichend stark bis auf mein Zimmer reicht, obwohl das bei der Buchung behauptet wurde. Hm. Nach dem Duschen suche ich mir jemanden von der Maintenance und so findet auch das Fahrrad den Weg ins Haus.

Als ich mich in der Lobby mit dem Wlan verbinden kann stellt sich heraus, dass man keine Websiten aufrufen kann. Ich weise die Rezeption daraufhin, die Dame nimmt ihre Ganze Inkompetenz zusammen um festzustellen, dass es nur an meinem Notebook liegen könne. Sie würden sich „über Firefox einwählen“. Zeitgleich ruft ein anderer Gast an und beschwert sich, dass er keine Webseiten aufrufen könne. Sie teilt ihm am Telefon mit, dass es leider Freitagabend wäre und die IT von der Zentrale in Spanien betreut würde, so dass es wahrscheinlich am Wochenende nichts mehr würde mit Internet.

Mir gibt sie den Tipp doch ins Starbucks zu gehen. Kurz zur Erinnerung, das Zimmer kostet 180 Pfund die Nacht. Als ich wieder ins Hotel zurückkomme, meint die nette Dame, im Businesscenter kommt man ins Internet, dann sei doch alles klar. Dass das Wlan immer noch nicht funktioniert, interessiert nicht die Bohne. Mir platzt der Kragen.

Da ich sowieso nicht wirklich die ganzen Eindrücke dieser schönen Reise von der superschönen Stadt London überlagern lassen wollte, sondern hier nur symbolisch den letzten Kreis schließen wollte, cancele ich die zweite Nacht. Hier ist man, zumindest als individual Gast schlicht nicht wirklich willkommen, und die Rate für die zweite Nacht war sowieso eine Frechheit für einen Samstag.

Aber kein Problem, die Reise ist sowieso zu Ende, morgen geht es mit dem Zug nach Dover, und da mein Vater so nett ist und mich in Calais abholt, kann ich mir das Gegurke mit dem Zug sparen, denn das gestaltet sich mit dem Fahrrad außerordentlich schwierig. Da kommen schnell über zwanzig Stunden zusammen...

Freitag, 19. Juni 2009

Tag 79 Bedford – Cambridge - Colchester

Donnerstag 18.06.2009

Wetter: bewölkt, 17 bis 21°
Tageskilometer: 134
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 6786
Tages-Fahrzeit :5:25 h
Gesamte Fahrzeit: 335:24 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 24,7 km/h
Tageshöhenmeter: 772
Gesamt Höhenmeter: 71105
Maximale Steigung 8%
Maximalpuls: 160
Durschnittliche Pulsfrequenz: 127


Da ich gestern abend meine Kamera vergessen hatte, mache ich heute morgen noch ein paar Fotos von Bedford, eigentlich ein ganz nettes Städtchen. Und das Frühstück gab es mit Blick auf den Fluss.



Zunächst ist die Strecke sehr flach, und ich habe leichten Rückenwind, oder zumindest keinen Gegenwind, so dass ich bis Cambridge einen Schnitt von über 28 km/h fahren kann. Mit dem Verkehr das geht eigentlich, auch scheinen die Autofahrer wieder relaxter.


Gestern hatte ich das Gefühl, das mein Besichtigungspensum erfüllt ist, und ich einfach nicht mehr offen bin für weitere Eindrücke. Aber in Cambridge zeigt sich, dass das nicht stimmt. Die Stadt ist schon klasse, auch hier dominieren die Besucher knapp vor den Studenten das Stadtbild, aber irgendwie kommt Cambridge sympathischer rüber wie Oxford.


Das Kings College ist zwar geschlossen, aber die berühmte Chapel des Colleges kann man besichtigen. Und die ist den Eintritt von fünf Euro allemal wert. Es ist nicht nur die berühmte Decke im Perpendicular Style, sondern die gesamte „Komposition“. Die Proportionen erscheinen mir perfekt. Etwas ganz anderes wie die durch Größe beeindruckende Liverpool Cathedral, aber wenn man drin steht denkt man: „perfekt!“. Nebenbei stammt das Altargemälde von Rubens...



Da ich vor langer Zeit schon mal in Cambridge war erspare ich mir die Bootsfahrt auf dem Kanal, das macht aber durchaus Spaß.


Die zwei anderen Colleges, welche ich mir gerne angeschaut hätte, lassen leider heute auch keinen rein, so schaue ich nur von außen, und mache ein paar Fotos. Im Queens College hat immerhin mal Erasmus von Rotterdam griechisch gelehrt, im Clare College war Sir Isaac Newton eingeschrieben usw. Also schon alles richtig „altehrwürdig“.




In den geschäftigen Straßen um die Colleges und den Market Hill ist mächtig was los. Bei den Touristen haben die asiatischen Besucher einen hohen Anteil, in Oxford waren es mehr die Amerikaner die das Bild dominierten. Vielleicht ein Ausdruck unterschiedlicher Wertschätzung, vielleicht aber auch einfach nur eine entgegengesetzte Richtung der Busse...

Die meiste Zeit verbringen ich aber im Fitzwilliam Museum. Das ist mal richtig gut. So muss ein Museum aussehen (jedenfalls für mich gerade in diesem Moment...).



Die Gemälde Gallerie ist beeindruckend, Rembrandt, van Dyck, Rubens, oder Cezanne, Monet, Renoir, Rodin, oder wer und wann auch immer. Es gibt eine Sonderausstellung zu Darwin, die interessant ist, und vor allem auch eine großartige Sammlung zu den frühen Hochkulturen. Das Museum gehört auf jeden Fall ins Pflichtprogramm eines Cambridgebesuchs.

Wie gesagt ich war schon mal hier, aber ehrlich gesagt kann ich mich kaum an was erinnern außer der Bootsfahrt, so bin ich ganz froh, dass ich diese Schleife noch in die Strecke eingebaut hatte, und jetzt realistische Vorstellungen im Kopf habe wenn von Oxford und Cambridge die Rede ist.

Ich hatte im Museum ein bisschen was gegessen, aber je länger der Tag dauert, desto schwieriger wird es mit dem Essen. Und zuwenig essen heißt, irgendwann wird der Akku leer. Noch dazu habe ich die letzten Nächte nicht gut geschlafen, sondern bin immer wieder schweißgebadet aufgewacht, so dass ich alle Betten die mir zur Verfügung standen (meist 3, da es kaum Singlerooms gibt) aufgebraucht habe.

So mache ich mich auf den Weg nach Colchester, unterwegs gibt es noch ein bisschen Ananas an der Tanke, und dann mal schauen, ob ich die Stadt erreiche, in der ich meinen ersten Englandbesuch verbracht habe.

Ich fahre die 1307 bis Haverhill, und dann auf die 1092. Und hier gibt es nochmal eine kleine aber wunderschöne Strecke. Das ist England wie ich es immer im Kopf hatte. Vielleicht bin ich damals irgendwie durch diese Gegend gefahren, und die Bilder haben sich als Symbol für Enland im Gehirn manifestiert, keine Ahnung. Zumindest erkenne ich nichts konkretes wieder, aber genau solche Bilder erzeugte das Word „England“ in meinem Kopf vor dieser Reise.






In Long Melford versuche ich einen kurzen Anfall von Hunger und Appetit im Pub zu stillen, aber letztlich kommt ein Tee und ein Eis dabei heraus. Das Eis ist richtig lecker, und die zwei Erdbeeren dabei sind sensationell.

Erstaunlicherweise sind es nur noch 15 bis 20 Meilen bis Colchester, so schaffe ich es trotz umfangreichem Besichtigungspensum heute wohl doch noch bis dorthin.

Das Eis erweist sich aber als wenig hilfreich. Die Straße, die 134, wird recht schmal, links die Hecken und Büsche ragen recht weit auf die Fahrbahn, und ich habe das Gefühl ich mache schlapp. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, ich fahre immer noch einen 25er Schnitt, aber ich spüre die Beine als wären sie woanders, die Hände sind sowieso eingeschlafen, und alles fühlt sich seltsam an. Es gibt keine Möglichkeit zum anhalten, so muss ich auf so einer leichten Etappe doch noch mal ein bisschen beißen. Aber das geht vorbei.

Es scheint als ob sich der Mangel an komplexen Kohlehydraten jetzt ein bisschen rächt. Noch zweimal halte ich an auf dem weg nach Colchester, und die Kilometer fließen zäh. Aber nur im Kopf, tatsächlich machen die Beine ihre Arbeit dann doch ganz ordentlich, und gegen 18.20 bin ich in Colchester.

Bei der Fahrt ins Stadtzentrum hatte ich den Stau wie üblich links überholt, nur dass mir diesmal ab zentrumsnähe ein ganzer Fahrstreifen dazu mit Pylonen abgesperrt ist. Wie sich herausstellt findet hier heute ein Radrennen statt! Na das schaue ich mir doch an, die Jungs sind schon am Warmfahren, so suche ich mein Hotel an der Strecke, die sowieso im Stadtzentrum liegt.


Frisch geduscht, und mit 4000 Meilen im Rücken schlendere ich die Strecke entlang, und schaue mir an verschiedenen Stellen an, wie die Führenden und das Peloton vorbeirauschen. Was für ein schöner Zufall.




Ein bisschen Essen, und dann DAS Hotel gebucht, das den Endpunkt meiner Reise bedeutet.
2 Bridge Road London SW1.

Morgen werde ich mir noch etwas Colchester anschauen, ich habe auch hier bis jetzt nichts wiedererkannt. Mal sehen was ich morgen noch so finde.

Dann geht es auf die letzte richtige Fahrradetappe, so ca. 110 Kilometer, allerdings richtig Verkehr. Also das Ziel ist noch nicht erreicht, da muss ich noch heil durchkommen. Denn einen kleinen Vorgeschmack darauf, dass die Leute desto gestresster sind, je näher man an London kommt,.hatte ich ja gestern schon, und das merkt man halt auch den Autofahrern an.

Ab Cambridge war das Verhalten im Verkehr übrigens heute wieder wie im Rest von England, und die Leute typisch britisch außergewöhnlich freundlich und relaxt. D.h. ah lovely, yes thank you, lovely..ohne Ende, und vor allem „Can I help you Darling?“ „Take Care Sweetie“, wenn man die richtige Verkäuferin erwischt, oder die richtige Dame nach dem Weg fragt. Gefällt mir gut, werde ich vermissen.

Tag 78 Woodstock - Oxford - Bedford

Mittwoch 17.06.2009

Wetter: bewölkt um 19°
Tageskilometer: 111
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 6652
Tages-Fahrzeit :4:28 h
Gesamte Fahrzeit: 329:59 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 25,0 km/h
Tageshöhenmeter: 660
Gesamt Höhenmeter: 70333
Maximale Steigung 12%
Maximalpuls: 154
Durschnittliche Pulsfrequenz: 120


Gestern abend hat sich die Essblokade dann doch noch richtig gelöst, und ich hab' die Gelegenheit genutzt alles was ich noch hatte wegzuputzen. Neben zwei Äpfelchen und einem Restbestand an Keksen, findet sich auch noch ein Schokoriegel von der Cadburybesichtigung. Ich glaube Cornflakes oder Mint Crisp... (just kidding!)

Auch wenn ich nicht besonders gut geschlafen habe, ist scheinbar wieder alles OK, der Puls stimmt, und das Frieren hat trotz niedrigerer Temperaturen auch aufgehört. So kann ich die gut zehn Meilen nach Oxford genießen.

Irgendwann nimmt der Verkehr beträchtlich zu, und auch die Fahrweise, bzw. Geschwindigkeit der Autos scheint etwas „deutscher“ zu werden. Ich wundere mich über die riesigen Park+Ride Schilder, bis mir klar wird, dass ich ja schon im erweiterten Einzugsgebiet von London bin, und sich diese wohl schon auf London beziehen und nicht auf Oxford.

In Oxford selbst gibt es auch den ein oder anderen nutzbaren Fahrradweg, was man von einer Studentenstadt ja auch durchaus erwartet. Ich habe auch noch in keiner Stadt mehr Busse gesehen wie hier. Und Touristen. Die Besucher dominieren das Stadtbild um die Highstreet.




Laut Reiseführer braucht man für die Oxfordbesichtigung sehr viel Zeit. Ich nehme an, berechnet wurde diese Angabe so: Zu Besichtigen gibt es hauptsächlich die Colleges. Es gibt so ca. 40 Stück (zusammen bilden sie die Oxford University), wenn man jedes besucht, dann dauert es halt ewig.

In der Realität ist es 'slightly different': Eins sollte man sich auf jeden Fall anschauen, dann weiß man wie die Colleges prinzipiell gestaltet sind (orientiert am Kloster), und hat mal eins der altehrwürdigen Institute gesehen. Beim zweiten merkt man schon, dass die alle ziemlich ähnlich sind, und das dritte habe ich mir dann schon gespart.

Ist natürlich eine ganz persönlich Meinung. Aber das, was Oxford ausmacht, kann man nicht besichtigen. Ich versuche, nachdem ich mir das Christ Church College angeschaut habe, etwas von der Atmosphäre der Stadt aufzunehmen, aber im Gegensatz zu anderen, großen Städten gelingt das hier nicht. Dabei gerate ich zufällig in den Empfang von Studenten, die die Finals bestanden haben.







Das zweite College, welches ich mir anschaue ist das Magdalen College. Wie gesagt, Uni Institute halt, wenn auch in historischen Gebäuden, und mit Innenhof und Chapel (die vom Christ Church College hat sogar den Rang einer Kathedrale)




Die Behauptung, dass die Highstreet die prächtigste Straße Englands sein soll erschließt sich mir nicht so recht, aber hier gibt es einige Cafes und so nehme ich mein zweites Frühstück hier. (die Behauptung stammt laut Reiseführer von dem amerikanischen Dichter Hawthorne und ist aus dem 19. Jahrhundert).

Townhall


Ich gondele noch etwas durch die Stadt, und mache mich dann auf die letzte Schleife, Richtung Cambridge.

Außer in Oxford selbst mache ich selten mal ein Foto, da die Landschaft nicht anders aussieht wie gestern zum Ende der Etappe, und wenig spektakulär ist.


Während ich bis dahin die meiste Zeit den Wind eher etwas gegen mich hatte, habe ich nun einige längere Passagen mit brauchbarer Windunterstützung, so dass ein ordentlicher Schnitt zusammenkommt. Ich glaube erstmals auf der Tour sind die 25 km/h geknackt.

Und das trotz des deutlich unfreundlicheren Verkehrsverhaltens hier. Irgendwie scheinen die Menschen hier weniger relaxed wie im Ganzen Rest vom UK. Selbst die Portiers der Colleges sind außergewöhnlich arrogant und 'nicht-freundlich'.

So richtig Appetit habe ich nicht, deshalb gibt’s Obstsalat und Milchreis an der Tanke. Auch hier ist die Verkäuferin wenig überschwenglich. Am meisten wundert mich aber, dass, als ich wie immer bei Stau, links an den Autos vorbeifahre, einige Fahrer nach links ziehen um mir den Weg zu versperren.

Da aber auch die englischen Autofahrer ihr Auto mehr lieben, als den Genuss einen Fahrradfahrer zu ärgern, halte ich einfach drauf, und wie man am Schnitt sehen kann funktioniert das zu hundert Prozent. Manchmal recht knapp, denn einige Autos haben echt große Spiegel...

Das härteste Duell liefere ich mir mit zwei LKW Fahrern, die direkt hintereinander fahren. Die fürchten wahrscheinlich, dass sie auf der recht schmalen Straße nicht mehr so einfach an mir vorbeikommen. Der erste zieht noch zurück, der zweite ist etwas zäher, und so fahre ich ein Stück mit dem Lenker im Motorradfahreraufprallschutz vom Auflieger, bis der Fahrer einsieht, dass er's vielleicht übertreibt, falls er nicht vorhat mich umzubringen. (ich habe übrigens auch nicht vor mich umzubringen, an der Stelle ist die Leitplanke so gut anderthalb Meter vom Straßenrand weg, und bis zum Bordstein ist Gras, so dass ich mich im Ernstfall immer hätte einfach nach links fallen lassen können.)

Ich muss zugeben ein gewisser Grad an Abhärtung stumpft ab, aber dadurch stehe ich schon unter der Dusche, während die beiden LKW Fahrer noch im Stau stehen...

In Bedford finde ich schnell ein Zimmer, sehr teuer, zu meinem Entsetzen kostet Internet 15 Pfund extra... shocking!!

Essen geht ganz gut, im Pub geht zwar nur ein Fishpie und Mashed Potatoes, aber zum ersten mal überhaupt kaufe ich im Lidl ein, und so gibt es noch ordentlich Joguhrt, Michreis und natürlich O-Saft. Alles schleimige geht halt gut....

Dienstag, 16. Juni 2009

Tag 77 Birmingham - Woodstock

Dienstag 16.06.2009

Wetter: sonnig um 21°
Tageskilometer: 119
Gesamt zurückgelegte Kilometer: 6541
Tages-Fahrzeit :5:07 h
Gesamte Fahrzeit: 325:31 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 23,2 km/h
Tageshöhenmeter: 1011
Gesamt Höhenmeter: 69673
Maximale Steigung 9%
Maximalpuls: 170
Durschnittliche Pulsfrequenz: 144


Heute morgen gibt es keinen Grund früh loszufahren, denn das erste Ziel ist Warwick Castle, und die Castles machen sowieso immer erst um zehn auf. Nachdem ich mich gestern kaum entschließen konnte, zum Schlafen die Augen zu zu machen, da ich vom Bett aus so einen schönen Blick auf die Lichter von Birmingham hatte, frühstücke ich heute im Zimmer , um den Blick auch morgens nochmal zu genießen.


Bis Warwick sind es doch über vierzig Kilometer, da hatte ich mich irgendwie verschätzt. Obwohl es über zwanzig Grad sind bin ich am Frieren. Im Wind ist es natürlich etwas kühler, aber in den letzten beiden Tagen, habe ich schon ständig gefroren oder geschwitzt, anscheinend habe ich mir zum Ende der Reise nochmal eine Infektion eingefangen. Auch der Puls ist ca. 15 Schläge zu hoch, typischer Indikator. Naja.

Vor dem Eintrittspreis von Warwick Castle hatte mich schon ein Taxifahrer gewarnt. 17,95 Pfund. Der Castlebesuch ist als „Experience“ für Familien konzipiert, d.h. ordentlich Firlefanz, aber selbst das Bogenschießen kostet extra, also mit zwei Kindern musst du schon einen ganzen Tag hier verbringen. So ist es auch gedacht. Ist nun gerade nicht mein Plan. Interessantenerweise ist alles was so drumherum aufgebaut ist, mit Bezug zum Mittelalter, das Castle in seiner jetzigen Form ist aber aus dem 18. Jh., naja wenigstens die Festungsmauern gehen auf das 14. Jh. zurück, dann passt es doch wieder, irgendwie so ein bisschen...



Interessant ist auch, dass die Räume die man besichtigen kann, mit Wachsfiguren bestückt sind, die die Funktionen der Räume deutlich machen, und dabei auch den einen oder anderen Bewohner verewigen.


Interessant ist weiterhin, was meine Knie zu der Towertour mit 533 Stufen sagen. Kurze Diskussion, das wars dann aber schon, insgesamt hatte ich auf der ganzen Tour bis jetzt keine nennenswerten Probleme, sehr erfreulich.




Von Warwick geht es nach Stratford, hier gibt es nur ein Thema, Shakespeare. Ich schaue mir Anne Hathaways Cottage an, und natürlich das Geburtshaus von Shakespeare, sowie seine Grabstätte in der Holy Trinity Church.





Auch hier gibt’s „Experience“, wo es keiner braucht, es gibt keine Möglichkeit zu fliehen, die Türen gehen automatisch auf, wenn man weitergehen soll, muss, darf...

Allerdings ist Stratford angeblich nach London das zweit beliebteste touristische Ziel in UK, ich glaube sowas auch schon an anderen Orten gehört zu haben. Es macht aber sicher Sinn die Touristenströme professionell leiten.

Eigentlich hatte ich geplant hier zu mittag zu essen, aber irgendwie geht’s nicht. In Warwick im Castle konnte ich schon nichts essen, da habe ich noch geglaubt, es liegt an dem fast gefrorenen, vertrockneten Ding, das ein Scone sein sollte. Aber jetzt wird mir schon beim Gedanken an Essen schlecht, obwohl ich Hunger habe. Na egal, die Beine funktionieren trotzdem ausgezeichnet, ziemlich lange steht der Schnitt bei über 25 km/h obwohl ich gar keinen Rückenwind habe.

Ich hätte gerne noch das Heritage Motormuseum in Gaydon besucht, aber das ist natürlich nicht ausgeschildert, und der Weg dorthin will sich durch die Schilder nicht ganz erschließen, da die Orte die auf meiner Karte sind, nicht auf den Schildern auftauchen, und die Orte auf den Schildern nicht auf meiner Karte.

Außerdem muss ich einsehen, dass ich nach fünf dort ankommen würde, also wahrscheinlich den letzten Einlass verpasse. Eine Nacht ist mir das nicht Wert, so fahre ich wieder ein Stück zurück und komme dann auch auf die schönere Route Richtung Oxford. Die Cotswolds hatte ich ja schon mal gestreift, jetzt kann ich ein Stückchen hindurch fahren, die Straßenführung ist gemäßigt englisch, teils überraschend „vernünftig“. Es bleibt auch bei einstelligen Steigungsprozenten.

Mittlerweile nimmt der Hunger zu, aber der latente Drang sich zu übergeben nimmt so konkrete Formen an, dass ich gar nicht nach Pubs Auschau halte und die Kekse die ich noch habe ignoriere. Als ich gerade eine psychologische Theorie über Schlussetappen entwickle um mich abzulenken, überfahre ich fast ein Eichhörnchen. Oje, der kleine Kerl sitzt direkt am Straßenrand und erschreckt sich sehr, als ich vorbei fahre. Statt wie die ganzen Minihäschen die hier immer davon sprinten, in Richtung Wald zu flitzen, läuft er auf die Straße, genau vor mein Vorderrad. Zum Glück fahre ich bergauf und habe nur so gut 18 km/h drauf, die er gerade so für ein zwei Meter hinkriegt, bevor er auf die andere Fahrbahn flieht. Da auch dort kein Auto ist, hat er wirklich Glück. Ich bin so überrascht von der Aktion, dass ich bergab, sprich bei höherem Tempor wahrscheinlich drüber gefahren wäre. Also mit der Technik kommst du nicht weit kleiner, dass sage ich dir

Ich halte dann doch an einem Pub, Tee geht immer, und hilft gegen das Frieren. Außerdem versuche ich mir zwei Miniflapjacks einzuverleiben. Einen kriege ich hin. Also ein bisschen Energie gibt’s dann doch, dass muss für die nächsten Kilometer reichen. Ich würde gerne Flüssignahrung zu mir nehmen, aber wo kriege ich jetzt einen Proteinshake her?

Bis Oxford werde ich heute nicht durchziehen, denn dass macht eh keinen Sinn und die Übernachtungen dort sind möglicherweise unnütz teuer. Ich beschließe bis Woodstock zu fahren, das klingt irgendwie gut, und ist so gut 10 Meilen vor Oxford.

Die Cotswolds sind ganz nett, nicht spektakulär, von Ackerbau und Wald geprägte Hügel, und dank des recht schönen Wetters, recht idyllisch.


Als an der Straße ein Tante Emma Laden auftaucht kommt mir die rettende Idee, Ich probiere es mit einer Mischung aus Orangensaft und Bananenmilch, und das Ganze erweist sich als perfekte Mahlzeit.

Das Essensproblem ist also gelöst, und so gehen die letzten Kilometer auch ganz gut. Die Beine waren sowieso Ok. Mir ist auch nicht mehr schlecht.

Ich werde heute trotzdem früh ins Bett gehen um nicht für die letzten paar hundert Kilometer nochmal dumm krank zu werden.

Die Stratford – Oxford Etappe ist, wie gestern schon beschrieben, eine ganz besondere. Denn wenn es eng wurde, habe ich mir vorgestellt, wie ich bei schönem Wetter, manchmal am Kanal entlang, in recht flachem Gelände Richtung Oxford radele, und kurz vorher in einem Pub mit angeschlossenem „amerikanischem“ Motel übernachte.

Genau diesen Pub sehe ich kurz vor Woodstock! Ich lasse mir das Zimmer erst zeigen bevor ich einchecke, und es ist tatsächlich, wie bei Motels in amerikanischen Filmen, von außen über eine Treppe zu erreichen. Wie gut.



Die Preise hier sind südenglisch, allerdings ist es nicht nur das angeblich letzte Zimmer, sondern auch genau so wie ich mir das vorgestellt hatte während ich in Irland gegen Wind und Regen gekämpft habe. Also keine Frage.

Nach zwanzig Minuten richtig heiß duschen (was in England kein Problem ist;) versuche ich im Pub was Richtiges zu essen, und entscheide mich für mashed potato statt new, und hoffe, dass die Lammkeule einigermaßen zart ist, und das Gemüse ordentlich zerkocht... Geht so, aber alles geht rein. Na also.